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Die Deutsche Langstreckenmeisterschaft DLM/DLC

Dieses Jahr, etwas kurios, fand nur ein Rennen statt zum Deutschen Langstrecken Cup statt. Wirklich schade, da eine Meisterschaft selbstverständlich mehr Rennevents braucht. Einen verdienten Sieger gilt es über mehrere ausgetragenen Schlachten zu ermitteln. Jedoch konnte man sich in diesem Fall mit nur einem Top-Ergebnis als Deutschen Meister feiern lassen. Eine Chance, die sich mehrere Teams nicht entgehen lassen wollten.
Das Aufeinandertreffen fand in Oschersleben am 03.10.2023 statt. Es waren einige Teams in für die unterschiedlichen Klassen angereist. Es dürfen allerdings wieder deutlich mehr werden. Somit hier schon der Aufruf an alle gestandenen Racer: Tummelt und formiert euch. Es wird Zeit!

In der Endurance Klasse, der Kategorie, in der das Prädikat des Deutschen Langstreckenmeisters vergeben wird, gab es wirklich gut besetzte Formationen. Allen voran GERT56. Siege in der Stock Klasse der Langestreckenweltmeisterschaft gehören zu deren Errungenschaften. Dieses Mal im Kader: Patrick Hobelsberger, Toni Finsterbusch und Jan-Ole Jähnig. Allesamt Fahrer aus der IDM-Superbike. Das spricht wohl für sich. Nichts anderes als der Sieg war zu erwarten.
Das JOJ Racing-Team stand mit Johann Flammann und Sascha Gallert bereit für den Angriff auf maximale Beute. Ähnlich gut aufgestellt: Arlows Racing mit Sascha Schoder, Ludwig Plinke und Justus Weinke.
Etwas auf der Außenseiterposition war dann der Rheintal MSC mit Mike Nagel, Mike Krnac und meiner Person. Dennoch errechneten wir uns bei fehlerfreier Fahrt Chancen aufs Podest zu kommen. Das war also das Ziel. Sauber abliefern und keine unnötige Zeit verlieren. Weder in der Box noch auf der Strecke. So könnte es funktionieren.
Wir stellten unsere ZX10-RR im Zeittraining auf Gesamtplatz 11. Den Start durfte wie in Spa ich fahren. Macht mir ehrlich gesagt auch Spaß. Der Le-Mans-Start hat schon was für sich. Alle stehen bereit für den Sprint auf die andere Fahrbahnseite. Dann das Flaggensignal und alle flitzen los. Rauf auf die Maschine und möglichst zügig den Motor starten und den Schleifpunkt der Kupplung erwischen. Nicht selten sind die ersten am Bike trotzdem die letzten die losfahren und umgekehrt. Ist eben eine kleine zusätzliche Aufgabe bevor man dann versucht seine geplanten Rundenzeiten zu fahren.
Wo meine Pace liegen würde, konnte ich vor dem ersten Stint nicht wirklich sagen. Ich hatte einfach gehofft ein schnelles Hinterrad zu finden und mich mitziehen zu lassen. Das ist dann in ungefähr auch so passiert. Nach ein paar Runden war ich hinter Justus Weinke von Arlows Racing. Das Tempo konnte ich gut mitgehen. 1:32er Zeiten. Ja, das passte. Ich hatte nur ein wenig das Gefühl, dass ich schneller kann und das vielleicht auch sollte. Meine Zweifel waren lediglich, ob ich dann vielleicht am Ende meines ersten Turns etwas müde werde und die gewonnene Zeit wieder verliere. Egal. Ich ging auf der Bremse vorbei und versuchte mein Glück. Schlussendlich ging der Plan auch auf. Ohne Probleme konnte ich bis zur Boxeneinfahrt permanent in der 32/33er Zeiten bleiben und übergab die Kawa auf Platz 3 in der Klasse wie auch im Gesamtklassement. Davor nur JOJ und GERT56.
Danach fuhr Mike Krnac. Gute Rundenzeiten, keine Fehler. So muss das. Anschließend war Mike Nagel an der Reihe. Stark grippegeschwächt kämpfte er für das Team und Ergebnis. Müde und erschöpft, aber ebenso fehlerfrei übergab er das Bike wieder an mich.
Mein zweiter Durchgang lief ebenso glatt wie der erste. Ich war zwar eine halbe Sekunde pro Runde langsamer als im ersten Stint, aber damit konnte ich auf der anstrengenden Strecke in Oschersleben leben. Es sind immerhin knapp 65 Minuten, die ein voller Tank hält und dabei spulte ich so ca. 38 Runden ab. Mit der 1000er auf jeden Fall aufreibend.
Mike Krnac war gerade so 20 bis 25 Minuten auf der Bahn und ich ebenso lang in meinem Stuhl gesessen als sich die Himmelsschleuse begann zu öffnen. „Ob ich bereit wäre für den Regen?“ fragte mich Mike Nagel. Naja, ein wenig mehr Pause wäre schon nett gewesen und anstrengend war es bis hierhin auch nicht.
Regenhelm auf und warten bis Krnac das Ding in die Box bringt. Leider hat unser Räderwechsel dann lange gedauert. Das Hinterrad wollte mit allem Nachdruck nicht rein. In der Zwischenzeit ist Arlows Racing gestürzt. Ein wildes Durcheinander in der Box entstand, weil ja alle auf Regenreifen wechselten. Endlich – das Rad sitzt und Abfahrt. Schon in der Boxengasse fiel mir beim Blick auf das Dashboard auf, dass die Motorkontrolllicht und das Warnsignal permanent leuchteten. Der Erste Schaltvorgang … Ui … der Quickshifter ging nicht. Anfahrt auf die Hasseröder-Kurve… Ei … Blipper versagt auch. Verdammt. Kurz nochmal am Streckenrand gehalten, Moped nochmal komplett ausgemacht, neu gestartet und… das Problem blieb. Bei der Fahrt auf den Gegengeraden währen der Rollphase ein weiteres Mal neu gestartet. Hilft nichts. Ok – dann musste das ebenso gehen. Im Oldschool-Modus. Beim Hochschalten Gas lupfen. Beim Runterschalten Kuppeln. Mit dem Kupplungshebel senkrecht nach obenstehend (wegen der zusätzlichen Hinterradbremse/Scooterbremse) nicht ganz so optimal.
Nochmal in Kurzform: Nada/nix/no elektronische Unterstützung. Die Traktionskontrolle: rechtes Handgelenk. Das Rennen ging zu dem Zeitpunkt noch knappe 1,5 Stunden. Immerhin Platz 3 in der Klasse. Den Platz auf dem Podest wollte ich haben. Jetzt können wir tatsächlich auf dem Podium landen. Also gab ich Gas. Ich war zwar unterm Helm etwas angesäuert, dass genau zu diesem Zeitpunkt die Elektronik streikte – Im Regen, der mir liegt und bei dem ich jetzt richtig Attacke machen könnte. Stattdessen musste ich erst mal herausfinden wie die Kawa und ich das bei nasser Fahrbahn mit herkömmlichen Schaltvorgängen anstellen, ohne ständig ins Rudern zu kommen. Trotz diesen Umständen kam ich auf einen halbwegs vernünftigen Rhythmus.
Ich absolvierte Runde um Runde und beobachtete auf Start/ziel unser Pitboard. Da stand durch den Crash von Arlows dann wie zu erwarten P3. Während ich einen nach dem anderen überholte und es im Regen einfach rollen ließ, wurde mir dann plötzlich P2 angezeigt. Auch ok, dachte ich. Wusste aber nicht dem vorausging. Das undenkbare war eingetreten. GERT56 gab die Führung ab. Sie hatten tatsächlich Ihre BMW M1000RR zu Schrott verwandelt und aus dem Rennen.
Ich konzentrierte mich weiter darauf keine Fehler zu machen und möglichst viele Kontrahenten zu überholen. Im Detail kann ich mich nicht erinnern, wen ich alles überholte. Ein paar schnelle Leute erkannte ich, aber die Sicht war zu schlecht, um das alles zu begreifen. Dazu kamen die ganzen gestrandeten Unglücklichen am Streckenrand, die Ihre Fahrzeuge versuchten, wieder flott zu bekommen. Jedenfalls kam ich auf die Zielgerade und sah Platz 1 auf der Anzeigetafel. Das kam überraschend. „Hatte ich das richtig gesehen?“ Eine Runde später genau hingesehen – tatsächlich: Wir hatten die Position an der Sonne inne. „Ja warte mal… das würde ja bedeuten… also dann… wenn jetzt das so ausgehen würde… also dann… ähhh… dann wären wir Deutscher Meister. Wow!“
Im Kopf fing das Sortieren an: „Wir müssen auf jeden Fall nochmal tanken. Das kann eigentlich nicht reichen. Als ich aufgestiegen bin waren es noch gute 90 Minuten. Dann mal auf dem Pitboard den Vorsprung beobachten.“ So ging das dann. Runde um Runde. Der Lücke wurde größer. Ich meine gegen Ende etwas, um die 60 bis 70 Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten gelesen zu haben. Ich konnte aber beim besten Willen nicht einschätzen, wie lange ein Boxenstopp für ein klein wenig Sprit dauern würde. Außerdem war die Tanklampe auch noch nicht an. Ich versuchte fortan so spritsparend als möglich zu fahren. Nutzte nur noch den 4. und 5. Gang.
Jedes Mal, wenn ich auf Start/Ziel einbog sah ich nach der Gesamtzeit und ob mich das Team für einen Sicherheitsstopp reinholen wollte. Noch 20 Minuten, noch 15, noch 10. Die Tanklampe blieb aus. Mittlerweile fuhr ich nur noch im 5.Gang halb Gas. Da ich bisher nicht für einen Tankstopp reingeholt wurde, nahm ich an, dass der Vorsprung nicht reicht, um P1 zu halten. Plötzlich war Sie an. Die kleine Zapfsäule leuchtete im Display der Kawasaki. In dem Moment dürften es noch 4 Runden bis zur Zielankunft sein. So rechnete ich die Zeit runter. Die Information, die ich hatte, war, dass der Sprit bei trockenen Bedingungen ab Tanksignal knappe 3 Runden reichen würde. Die Entscheidung klar: ALL IN – Ich würde nicht zum Tanken reinfahren. Deutscher Meister oder nichts. Der zweite ist der erste Verlierer und an den erinnert man sich doch sowieso nicht. Darüber hinaus wird mir das Moped wohl mal eine Zündaussetzer als Signal für den baldigen Motorstopp geben. Noch 40 Sekunden auf der Uhr als ich in meine 48ste Runde mit einer Tankfüllung startete. Die Hasseröder Kurve erledigt. Triple links abgehakt. Durch Turn 4/5/6 auf die Gegengerade. Anfahrt Shell Esses – Bumm – Motor aus. Schnell in den Leerlauf geschalten für minimalen Rollwiederstand. Im Paddelschritt kam ich bis in das vorletzte Recht. Dann bog ich schnellstmöglich schiebend in die Boxeneinfahrt ab. Ein Streckenposten kam zur Hilfe. Ich wieder in den Sattel und er schob nach Leibeskräften unter Anfeuerung meinerseits zur Hälfte in Richtung Boxengasse. Danach war ich wieder auf mich gestellt. Mike Krnac und Mike Nagel eilten herbei. In der Boxengasse abgewunken, klitschnass und sichtlich abgekämpft musste man feststellen, dass es nur zu Platz 2 gereicht hat. Wenige Augenblicke später kam sogar die Nachricht, dass man als nicht gewertet zählt. Man hätte die Ziellinie auf der Strecke überqueren müssen. Hart, aber so sind die Regeln.

Nach all dem Aufwand stellt der ein oder andere jetzt möglicherweise die Frage: Was bleibt?
Ich kann euch genau sagen was bleibt. Es bleibt die Freude und Trauer, die Spannung und Tragik, das gemeinsame Feiern oder gemeinsam die Scherben zusammenfegen. Es bleibt das emotionale Auf und Ab wie es einem nur ein Langstreckenrennen geben kann. Jeder hat alles gegeben. Für einige Minuten war der Deutsche Meistertitel zum Greifen nahe und im nächsten Moment blieb nichts außer ein trostloses DNF. Es geht eben nicht jede gute Geschichte mit einem Happy End aus. ERFAHRT es einfach selbst und startet in der Langstrecke!

In diesem letzten Abschnitt möchte ich gerne einen Mann des Rheintal MSC´s besonders loben: Justin Oehlcke. Sein Einsatz in Oschersleben war für mich inspirierend. Schon vor dem Rennen hat er geholfen, wo er kann. Aber dann, während der 6 Stunden hat er jede Minute an der Boxenmauer verbracht und das Pitboard in jeder einzelnen Runde mit den wichtigen Informationen für den Fahrer bedient. Okay, gelogen. Er war nicht jede Minute dort. Bei einem Boxenstopp hat er zusätzlich getankt und vorher wenn notwendig beim Radwechsel geholfen, um anschließend sofort wieder an die Mauer zu laufen und die Anzeigetafel rauszuhalten. Nicht mal Essen und Trinken musste man ihm bringen. Das hatte er sich vorher schon gerichtet. Bescheiden, absolut zuverlässig und natürlich gutaussehend 😉 Das ist Justin.
DANKE DAFÜR!

Für kommendes Jahr gibt es auch schon Pläne die werde ich euch bald präsentieren.
Bis bald
Billy