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Die 6H von Spa Francorchamps

345km sind es von zuhause bis zu einer der berühmtesten Rennstrecke der Welt. Schon bei der Einfahrt ins Fahrerlager bekommt man Gänsehaut, wenn man das durch etliche Fernsehübertragungen so Vertraute dann vor den eigenen Augen sieht. Allein das Bauwerk der Boxenanlage mit den verschiedenen Stockwerken und den angelegten Fahrerlagerterrassen hin zum „einfacheren“ Paddock Bereich beeindruckt mächtig. Viele Streckenabschnitte kennt so gut wie jeder Rennsportfan namentlich. Endlich durfte ich diese unter die Räder nehmen.

Die Ausgangssituation war jedoch nicht ganz so prickelnd. Ich war, wie eben erwähnt, noch nie in Spa und vor allem habe ich hier bisher nicht eine Runde mit dem Motorrad gedreht. Darüber hinaus liegt der letzte fliegende Kilometer mit einem aktuellen Superbike fast genau 2 Jahre zurück. Noch genauer bin ich damals 2021 mit der Yamaha R1 RN65 mit Bremsversagen Ende Start/Ziel in Hockenheim eingeschlagen. Danach hatte ich wegen der immensen Kosten die Schnauze von den modernen Bikes voll. Und nur um es erwähnt zu haben: Die R1 vermisse ich NULL – Nicht mein Bike. Desto gespannter war ich, was die 2019er Kawasaki ZX10-RR vom Rheintal MSC im Endurance-Trimm kann.

Damit ich mit dem Bike und der Strecke etwas warm werden sah das Training für jeden ca. 2-mal knapp 20 Minuten vor.
Fahrer Nr. 1: Mike Nagel – der Initiator für das Langstreckenprojekt und Vorstand des Rheintal MSC
Fahrer Nr. 2: Fabian Dresler – freier Motorrad-Journalist und häufig im Einsatz für die Motor Presse Stuttgart
Der dritte im Bunde, der war dann ich.

Direkt zu Beginn des Trainings fuhr zunächst ich, da die beiden anderen schon mal hier waren und wenigstens ein paar Runden im Gepäck auf der Berg- und Talbahn hatten. Die komplette Strecke war nass und ich mit Regenreifen unterwegs. Nicht weiter schlimm, da Regen sowieso vorhergesagt war und man auch bei nasser Fahrbahn den Streckenverlauf erkunden kann.

Die Leistung war ein absolut krasser Unterschied zu meinen 750er Alteisen. Da musste ich mich erst mal wieder dran gewöhnen. So ne 1000er die marschiert halt… und die Strecke ist dazu einfach auch scheiße schnell… und in knappen 20 Minuten umrundet man den Ardennen-Kurs nicht gerade oft.
Zweiter Versuch dann schon bei halb trockener Bahn. Alles in allem immer noch zu wenig, um einen halbwegs vernünftigen Rhythmus aufzubauen. Bremspunkte hatte ich nicht wirklich. Die Leistung weiterhin beeindruckend. Die Elektronik, die Gasannahme – alles ungewohnt. Scooterbremse für das Hinterrad – unbenutzt. Die Sitzposition ganz gut. Nur mit dem Begrenzungspolster am Ende des Sitzes habe ich noch nicht wirklich Freundschaft geschlossen. Somit sehr viel Input. Ja, richtig viel Input für die wenige Trainingszeit. Hilft nichts. Das Beste daraus machen und weiter steigern im Rennen.
Den Start sollte ich fahren. Kurz nochmal das Startprozedere ins Gedächtnis gerufen und sortiert welchen Knopf ich zum Starten drücken muss, wenn ich nach dem Le-Mans-Start aufs Bike. „Wird schon schief gehen“ – dachte ich.

Der Plan fürs Rennen:
Ich wusste, dass ich deutlich schneller fahren kann als im Training. Deswegen nahm ich mir einfach vor an der Konkurrenz um mich herum Maß zu nehmen. Bremst der Gegner lass ich es noch etwas laufen und bremse einfach später. Just as simple as that!

Die Kulisse von der Startgeraden auf die Ränge und in die Boxengasse war herrlich. So viele Zuschauer habe ich selten begrüßen dürfen bei einem meiner Rennstarts. Auf dem Boxendach ein Gedränge und jeder halbwegs gute Zuschauerplatz wurde eingenommen. Dann der Rennstart. Einmal über auf die andere Seite geflitzt, Moped gezündet und los. In der ersten Ecke aufpassen, dass es nicht knallt und dann den Plan umsetzen. Das erste Mal Eau Rouge und dann die Kemmel Straight – Luft anhalten und warten bis die Gegner bremsen und dasselbe einfach später tun. Hat funktioniert. So nahm ich die ersten Runden in Angriff und war in einer ständigen „Hab-acht-Stellung“, um zu analysieren, was die Konkurrenz macht und die Strecke schneller und besser zu verstehen. Nach 40 Minuten kam eine kleine Safety-Car-Phase. Eigentlich gut, doch für mich ganz schlecht. Warum? Jetzt erkannte ich das Ausmaß meiner Erschöpfung. Durch dieses ständige unnötige Körperspannung halten und dabei noch den Atem stoppen habe ich mich komplett verheizt. Richtig dumm. Ich habe die ganze Zeit komplett vergessen mich auszuruhen und tief Luft zu holen. In Situationen, in denen es möglich ist, hätte ich locker bleiben sollen und mich entspannen. Die Folgen meiner Misswirtschaft: Mein Mund trocken, der Nacken total verkrampft, viel zu kurzatmig und einfach müde. Nachdem die Strecke wieder freigegeben wurde, gingen meine Rundenzeiten stark zurück und ich war froh als ich das Signal für den Boxenstopp bekam. Dann in der Box erst mal hinsetzten. Puh – das war hart. Das war nicht gut und das war nicht Schnell. Meine Vernunft sprach mit mir: „Jetzt irgendwie schnell wieder den Körper aufbauen. Wasser, Zucker, Nahrung. Ich muss meinen Tank füllen und dabei regenerieren. Die Zeit läuft, bis ich wieder aufs Bike muss.“ Währenddessen spulte Fabian seine Runden ab.

Auf unsere Position im Klassement habe ich zu dem Zeitpunkt gar nicht mal so geachtet. Ich habe nachgesehen, was Fabian so macht. Das war absolut top. Dasselbe bei Mike. Auch das war ordentlich.

Dann kam mein nächster Durchgang. Rauf aufs Bike und raus aus der Boxengasse. Schon auf dem Weg zur Eau Rouge habe ich einfach ruhig und tief geatmet und versucht locker zu bleiben. Siehe da. 3 bis 4 Sekunden schnellere Rundenzeiten und gefühlte 10 Minuten später kommt von der Box das Signal für den Wechsel. Krass. Das ging schnell. „So läuft das also“, dachte ich und war durchaus zufrieden.
Jetzt mal zum Zeitenmonitor. Zu diesem Zeitpunkt Zweiter in der Klasse. Nach hinten war Luft und vorne war Viva Endurance schon etwas enteilt. Also einfach ins Ziel bringen. So arbeiteten Fabian und Mike dann auch. Gute Rundenzeiten und sicher unterwegs.
30 Minuten vor Rennenden dann doch. Der lang schon erwartete Regenschauer traf ein. Wenn das Passiert sollte ich nochmal in den Sattel. Mike hat die Rheintal-MSC-Kawa trotz Platzregen sicher in die Box gebracht. Regenreifen rein, nochmal etwas Sprit und ab auf die Bahn. Die war mittlerweile richtig unter Wasser. Stichwort: Aqua-Planing. Es liefen mehreren Stellen kleine Bäche über den Asphalt. Deshalb dauerte es auch nicht lange und das Safty-Car kam abermals zum Einsatz. Junge war das dann kalt auf dem Motorrad. Klitschnass durch den Regen rollend schlotterten mir richtig die Zähne. Ich fing an mehr und mehr an mit der ZX10-RR zu kuscheln. Die Beine lang, um die Knie zu schonen, und den Oberkörper auf den Tank gepresst. Die Stellung würde ich wohl „Lass-heizen“ nennen. Auf Grund eines Unfalls auf Start-Ziel wurde am Ende doch etwas vorzeitig abgebrochen. Schade. Ich mag Regen und hätte gerne noch ein paar Bahnen gezogen.

Zum Schluss stand ein ZWEITER Rang in der Klasse Endurance zu buche. Wer hätte das gedacht. Wir freuten uns riesig. Bis auf den „kleinen“ Schiebesprint durch die Boxengasse von Fabian, weil das Benzin ausgegangen ist, hatten wir keine Zwischenfälle zu beklagen. Ein Zeichen, dass die Technikabteilung, vertreten durch Niklas Pfeiffer von NK-Motors, beste Arbeit geleistet hatte.

Des Weiteren hat das ganze Team bei diesem Jungfernflug im Langstreckenbereich hervorragend gearbeitet. Meine Frau Melanie und unser kleiner Eddie waren immer zur Stelle, um das Team und mich zu unterstützen und gute Laune zu verbreiten. Justin Oehlcke, Niklas Pfeiffer, Philipp Beck, Steven Ohrnberger und mein Vater Gerhard haben in der Box ganze Arbeit geleistet. Nur Mike, Fabian und ich durften vom Team auf das Siegerpodest, aber ich hätte am liebsten alle mitgenommen und den Sekt brüderlich geteilt. Okay für Eddie vielleicht erst in etwas mehr als 14 Jahren, aber vielleicht verdient er sich dann schon sein eigenes Ehrengetränk. Wer weiß.
Ich für meinen Teil habe nach diesem ersten richtigen Endurance-Rennen meine Heimat gefunden. Ich will mehr davon. Mehr Long Runs und Boxenaction. Das ist genau mein Ding! Ich habe in Spa viel gelernt und will auf jeden Fall wiederkommen.

In Kürze folgt hier der Bericht von Oschersleben, dem einzigen Lauf zur Deutschen Langstrecken Meisterschaft.

Es grüßt euer Endurance-Fan
Billy